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Islam und Judentum

1. Islam-Dialog


2.  Deutsch-jüdischer Dialog

     Offener Brief an Präsident Katsav


Islam-Dialog

Der nachfolgende Text ist teilweise in der WELT als Gastkommentar („Mein Freund, ein Fremder“) und im SPIEGEL als Leserbrief erschienen.

Verfassungs-TÜV für Muslime

Von Raimund Pousset

Der 11. September hat viel bewegt und bewirkt. Ein Datum, dem wir niemals mehr die Jahreszahl hinzu fügen müssen. Es sind nicht nur die kalt lächelnd und zu oft bejubelt hingeschlachteten Menschen, die uns zutiefst bewegt haben. Es ist im Kern die Angst vor der Fragilität unserer demokratischen Gesellschaft, die in unseren Herzen explodierte und sich jetzt als Milzbrand ausbreitet. Mein Sicherheitsgefühl ist im Zentrum zerstört, weil jeder Nachbar ein Schläfer sein kann und der Messeturm, Raunheim oder Biblis mein Grab. Ich fühle die Verwundbarkeit eine Gesellschaft, die fanatischem Terror scheinbar wenig entgegenzusetzen hat _ außer Bomben. Doch Bomben und auch dieses gelbverpackte Brot versorgen den circulus vitiosus der Gewalt und Gegengewalt nur weiter mit Nahrung. Für viele aber hat eine Bewegung zum trotzigen „Jetzt-erst-recht“, aber auch zur wehrhaften Demokratie stattgefunden, die nicht in Angst und Bomben stecken bleiben will. Die etwas tun will, die aus Sorge um unsere Kultur christlich-abendländische Werte verteidigen will - vielleicht erstmals bewusst und auch ohne unbedingt einer der Kirchen anzugehören oder religiös zu sein. Einstehen für eine Kultur, die selbst so viele Schattenseiten aufzuweisen hatte und noch hat. Der durchaus und zu Recht umstrittene „Otto-Katalog“ ist Ausdruck dieser Geisteshaltung, denn auch Toleranz ist einer dieser hohen Werte. Und Bürgerfreiheit. Dieses Zusammenrücken und Tritt fassen hat der 11. September auch bewirkt.

Mein muslimischer Freund: Ich sah Dich kürzlich im Fernsehen in einer Diskussionsrunde zum Terroranschlag in New York. Du klagtest beredt über den Westen, wo Du studiert hast, wo wir Freunde wurden. Wo Du gelernt hast, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. Wie oft haben wir uns bei Rotwein die Köpfe heißgeredet: über Israel, das Öl, den Terrorismus oder die Frauenfrage. Du warst irgendwie "westlich" und mein Freund. Deswegen habe ich nichts von Deinen tieferen Seelenschichten bemerkt. Du bist mir in Deinem wirklichen Wesen entgangen. Glücklicherweise bist Du kein Schläfer, aber Du zeigst Verständnis für den saudi-arabischen Rachegott in Afghanistan. Tausendfaches Leid sind Dir hinzunehmende Kollateralschäden. Schäden, die Moslems in Palästina oder dem Irak seit Jahrzehnten kennten und erlitten, konterst Du. Nun habe es eben auch die USA getroffen, endlich ins Herz. Analysierst Du kühl. Es ist, als seiest Du ein anderer.

Seit Jahrzehnten träfen Euch die Demütigungen des Westens hart, sagst Du. Das sündige Lotterleben der Coca-Cola-Kultur verderbe den reinen Islam, die amerikanischen Stiefel auf saudischem Wüstenboden beschmutzen Deine Würde seit langem. Die heiligen Stätten seien von Ungläubigen entweiht. Das verlange Widerstand, verlange Aufruhr, verlange Mut. Deine verlorene Würde brenne wie eine Wunde, sagst Du. Selbst Euer Öl könne diese Wunde nicht heilen. Das Öl, vor dem viele Völker der Dritten Welt zittern. Das Öl, das viele von Euch fett gemacht hat. Schaut auf euch selbst, so wie es als einer der wenigen muslimischen Intellektuellen der Sudanese Hashem Hassan in der Londoner arabischen Tageszeitung Al-Quds-Al-Arabi tut: „Den Westen als den Teufel zu beschimpfen ist Propaganda, die unsere fanatische islamische Jugend bloß in menschliche Raketen verwandelt hat. Eine Jugend, die mit voller Absicht friedliche Zivilisten ermordet, so dass wir jetzt den Israelis gleichen: Opfer, die zu Henkern wurden.“ Nachdenkliche Worte, die da einer findet.

Wenn denn Unrecht geschieht bei Euch, und es geschieht, dann wende Dich doch an die, die Unrecht tun. Du findest sie in noblen Palästen und im Beduinenzelt, bei Edelhuren in teuren Hotels und am Spieltisch von Nizza. Sie tragen goldene Rolex-Uhren. Was wollt Ihr denn von mir, dass Ihr Eure Würde wiedererhaltet? Cordoba zurück und einen Sieg in der Schlacht am Kahlen Berg? Der sture Blick auf die Kolonialgeschichte verhindert eine hellsichtige Erkenntnis, wie sie der schon genannte Hashem Hassan äußert: „Seht, was wir aus unserem freien Willen gemacht haben! Wir versanken an dem Tag in einem Sumpf aus Korruption, ökonomischem Rückstand und Bürgerkriegen, als wir unsere Demokratie und das Recht auf Freiheit verloren, obwohl unsere Mütter uns als freie Menschen geboren haben.“ Ich frage mich, was Deine islamischen Freunde für Menschen sind. Wie wurden sie erzogen, dass Frauen und Kinder und Männer so viel Hass empfinden? Ist es die Würde, die Dir, Sohn einer gestürzten Großmacht, von westlichen Kolonialmächten genommen wurde? Soll sich der Italiener, einst stolzer Römer, seine verlorene Würde wiederholen? Oder der Azteke? Wie soll das der Aborigine tun? Wie der Mau-Mau-Kämpfer, wie der Portugiese?

Eure Lebensart, zu denken und zu fühlen, ist mir oft fremd und unheimlich. Meinst Du, meine Frau, die ihren Körper liebt, soll in  der Burka verhüllt wie eine Nebelkrähe gehen? Soll ich mir fanatisch die Stirn blutig schlagen und im Dschihad sterben wollen? Das haben unsere Vorväter, die Flagellanten, auch getan. Aber ich muss das nicht mehr tun, ich habe die Kraft, frei zu sein! Ich lebe gern und ließe Dich auch zu gerne leben. Nur - Dein fanatisch-größenwahnsinniger Beglücker will auch mir an den Hals. Dabei ist es Euch egal, ob Ihr umkommt! Denn Ihr liebt das Leben nicht wirklich. Kismet - wer stirbt, erwacht im Paradies. Als die Selbstmordkommandos ihre hilflose Menschenfracht in die Towers rasen ließen, was waren da ihre letzten Gefühle? War Gott da groß? Was seid Ihr für Menschen?

Wer von den islamischen Intellektuellen, Mullahs und Imams macht sich auf und klärt, was es mit Eurer Würde auf sich hat? Haben nicht alle Menschen eine Würde? Alle Reformer und kritischen Schriftsteller wurden aus ihren Heimatländern vertrieben, ausgestoßen, von der anmaßenden Fatwa verfolgt. Sie haben sicheren Unterschlupf bei uns Ungläubigen gefunden. Die Aufklärung ist im Exil. Ihr seid mental noch im Mittelalter. Aber so weit muss ich gar nicht zurückgehen. Ihr lebt Euren kollektiven Wahn, wie bei uns im Dritten Reich, aus. Klaus Mann, Adorno und Horkheimer haben uns die "autoritäre Persönlichkeit" und "den Untertan" gezeichnet. Das ist unsere Geschichte, die wir ein gut Stück überwunden haben. Aber weißt Du auch von Euch, was ich von uns weiß? Wo ist Eure Studentenbewegung, wo sind Eure Friedensmärsche? An welcher islamischen Universität wird etwas über das Unbewusste, narzisstische Kränkungen, selektives Wahrnehmen, Projektionen und Feindbilder gelehrt? Wo werden die psychologischen Instrumente, die zur menschlichen Selbsterkenntnis befähigen, entwickelt und bereitgestellt? In welchem Freitagsgebet wird das den meist analphabetischen Massen nahe gebracht, wo werden Gefühle reflektiert? Wo werden die Bücher von Bassam Tibi (außer in Indonesien) in die Landessprache oder gar Arabisch übersetzt? Ich kenne nur aufhetzende Schaukelgebete der Frommen, Verschwörungstheorien, wahn- und wutverzerrte Gesichter auf Kriegstreiberdemonstrationen, verbrannte Banner und Puppen. Wir wollen jetzt nichts mehr wissen über Panzer und Petroleum, Knechte und Kolonialherren, Geschichte und Grenzen. Wir wollen wissen, wer Ihr wirklich seid! Wie erzieht Ihr Eure Kinder, dass sie Hassparolen skandieren und freiwillig in den Märtyrertod gehen wollen? Was macht Ihr mit ihnen, und was haben sie mit Dir gemacht, mein Freund? Was ist mit Dir geschehen, dass Du jetzt umgeschwenkt bist zu den tieferen Schichten Deiner Seele?!

Der schon genannte Hashem Hassan spricht mutig, aber vorsichtig von Fehlern in der Erziehung von muslimischen Terroristen. Wie man ein hasserfüllter Kamikaze-Flieger wird, erklärt er nicht: „Bin Laden ist kein Stiefsohn des abendländischen Hegemonismus´, sondern der legitime Sohn arabisch-muslimischer Ohnmacht. Er ist völlig unser leibliches Kind, das wir - die Vordenker der panarabischen Idee - in unserer Starrheit geboren haben. Wir haben unsere Heimat und unser Volk so weit untergraben, dass wir zur leichten Beute amerikanischer, israelischer und anderer fremder Interessen wurden. Es wäre besser, wir würden zu unserer Vaterschaft stehen und die Fehler in unserer Erziehung erkennen. Unser grundlegender Erziehungsfehler ist, dass wir aus unserer Gesellschaft, aus unseren Schulen und Medien Freiheit und Wissen ausschlossen und damit die Möglichkeit nahmen, aus Fehlern zu lernen.“

Ich kann den 11. September nicht vergessen, es ist zudem mein Geburtstag. Ich sehe amerikanische und eigene Fehler, aber auch - und Du siehst es nicht - die Bluthunde im Iran und den Skorpion in der libyschen Wüste und die stille Natter in Afghanistan. Du siehst Heldentum wo Hohlheit ist, Verantwortung wo Verblendung lebt und den Messias statt einer Maulhure. Verzeih, dass ich einige Deiner pathetischen Sprachbilder gebrauche, die oft lächerlich und hohl auf mich wirken. Viele aufrechte Demonstranten bei uns glauben noch immer an Eure Ethik, an das Gute im "wahren" Islam. Was, wenn da nichts wäre? Wenn, wo wir Mitleid sitzen haben, nur weinerliches Selbstmitleid säße? Salam Rushdie hat kürzlich vor diesem naiven Glauben an den (theoretisch) friedlichen Islam gewarnt, weil die Praxis eine andere Sprache spreche. Wir alle müssen uns an unseren Früchten messen lassen und nicht an heiligem Papier.

Interessiert Dich eigentlich der Schaden, den Du bei mir angerichtet hast? Noch vor einem Jahr habe ich für den Moscheenbau im Nachbarort plädiert. Und jetzt? Vor das Verbrecherfoto von Atta schiebt sich mein inneres Bild von Attila. Sicher ist es besser, wenn Europa am Bosporus endet. Ich kann und will nicht mehr Dein Freund sein. Du und ich, wir waren die Brückenköpfe der Vernunft. Die Brücke zwischen uns ist zerstört. Wer soll sie bloß - nach New York und alledem - wieder aufbauen? Vielleicht die reformbereiten Muslime, die allen Terror ebenso wie wir ablehnen? Es ist jetzt an der Zeit, dass wir nachdenken über unsere naive Toleranz, die Leute Deines Schlages lachend zur Verbreitung ihrer Ideen benutzt haben. Islamisten, diese geistigen oder gar aktiven Handlanger des Terrors, können keine Deutschen werden, wir wollen sie hier nicht haben. Deshalb brauchen wir einen Verfassungs-TÜV.

In der Ablehnung des Terrorismus sitzen wir mit den meisten Muslimen solange in einem Boot, wie es um die Verdammung des Terrorismus durch Islamisten geht. Diese Muslime bedauern es durchaus nicht, wenn der „Kalif von Köln“ dahin geschickt wird, wo der Pfeffer wächst. Denn der „Krieg der Kulturen“ findet (noch) nicht statt. Nun aber kommt der schwierigere Scheidungsprozess auf uns zu, der mitten durch unsere Gesellschaft läuft. Wir müssen nach dieser Sollbruchstelle suchen und um unserer eigenen Sicherheit und um unseres politischen Selbstbewusstseins willen die Trennung zu allen Anti-Demokraten, die Aufnahme in unsere Gesellschaft begehren, möglich machen.  Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen demokratischen Moslems und dem fundamentalistischen Islam, der radikal anti-demokratisch ist, auch ohne terroristisch zu sein. Demokratische Moslems sind natürlich schwerer zu finden. Ihre Anzahl ist auch kleiner, weil dem noch im Mittelalter steckenden Islam vier wichtige Ereignisse bzw. Prozesse fehlen: ein Luther, die Aufklärung, die bürgerliche Revolution und die Studentenbewegung. Auch findet sich im Koran keine Stelle, die fordert, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Da wir de facto ein Einwanderungsland sind und es aus demographischen Gründen sicher bald auch offiziell sein werden (auch wenn das manchem nicht gefallen mag), müssen wir unsere Spielregeln offen legen, unter denen wir Fremde willkommen heißen wollen. Es finden sich genügend Reform-Moslems und verständige Muslime in unseren Reihen zum Gespräch. Sprechen wir mit ihnen. Im Friseursalon oder Gemüseladen, am Krankenbett, im Studio oder im Uni-Seminar. Gelingt dieses Gespräch nicht, wird es tatsächlich zum „clash of civilizations“ kommen.

Kein Staat der Welt gewährt aus gutem Grund dem Einbürgerungswilligen Gastrecht zu den Bedingungen des Gastes. Als Beispiel lassen sich besonders viele islamischen Staaten selbst nennen, die dem Gast (meist schon dem Besucher) bis in den persönlichen Bereich hinein penible Vorschriften machen und drakonische Strafen androhen: auf Sex mit einer Muslimin steht die Todesstrafe, auf Alkoholgenuss Gefängnis und auf Diebstahl das Handabhacken. Jede Missionierung endet im Steinhagel der „Gläubigen“. Und die Christengemeinden in moslemischen Ländern leiden erbärmlich. Damit das Gastrecht bei uns nicht missbraucht und geradezu umgekehrt wird und statt Integration eine Ghettoisierung erfolgt, wären zentrale demokratische Essentials von jedem Einbürgerungswilligen zu beeiden und nicht nur ganz allgemein auf die Verfassung zu schwören. Bei einem Besuch in einer Moschee wurde mir ohne jede Scham deutlich erklärt, dass die Scharia selbstverständlich über dem Grundgesetz stehe. Und auf meinen Einwand, dass ich dann eine Einbürgerung ablehne und Angst vor solchen Positionen hätte mit Verständnislosigkeit reagiert. Unwahre Angaben oder zuwiderlaufendes Verhalten hätten strafrechtliche Konsequenzen, die in einem eigenen Gesetz zum „Einbürgerungsbetrug“ zu regeln wären - bei Doppelstaatlern bis hin zur Ausweisung. Dabei wäre als Voraussetzung wie bisher auch gute deutsche Sprachfähigkeit in einem Test nachzuweisen. Die eigene Sprache könnte als 2. Fremdsprache gelten. Erst wenn wir den folgenden Katalog, eine bewusst gesetzte Sollbruchstelle, verabschiedet haben, haben wir Klarheit erzielt über das, was wir wollen _ Klarheit sowohl uns selbst als auch dem Fremden gegenüber.

1.        Die Trennung von Kirche und Staat wird in unserem laizistisch-demokratischen Staat unabhängig von bei uns möglicherweise bestehenden Widersprüche bejaht. Religiöse Fragen werden davon nicht berührt. Die Religionsmündigkeit vom 14. Geburtstag an wird ausdrücklich anerkannt. Der Religions- oder Ethikunterricht richtet sich nach den Regeln der einzelnen Bundesländern.

2.        Der unbedingte Vorrang des Grundgesetzes und der allgemeinen Menschenrechte vor der Scharia wird anerkannt.

3.        Die Weiterverbreitung der Lehre des Islam mit dem Endziel der Bekehrung (Umma) wird nicht weiter verfolgt. Ein Religionswechsel wird wechselseitig toleriert.

4.        Der heilige Krieg (Djihad) als politische Maßnahme wird nicht unterstützt und jede Form von Terrorismus als Mittel zum Zweck abgelehnt.

5.        Die Fatwa wird als undemokratisches Verfolgungsmittel eingeschätzt, nicht akzeptiert oder unterstützt. Kein Mullah oder Rechtsgelehrter hat das Recht auf einen Richterspruch. Die Gewaltenteilung wird anerkannt.

6.        Muslimische Feiertage wie der Freitag oder Ramadan bleiben gegenüber den bestehenden offiziell nachrangig. Auf aggressive Demonstrationen des muslimischen Glaubens wird verzichtet: z.B. auf zentrale Minarette und Muezzinrufe. Im Staatsdienst wird kein Kopftuch oder ein vergleichbares Zeichen getragen

7.        Das Prinzip der Monogamie wird anerkannt. Ein Polygamer - auch wenn weitere Ehefrauen im Ausland leben - kann nicht eingebürgert werden. Homosexualität wird als Lebensform akzeptiert und nicht mit Strafe bedroht.

8.        Auf die Methode des Schächtens von Tieren wird verzichtet. Das Tierschutzgesetzt wird anerkannt. (Im Januar 2002 hat das BVG das Schächten unverständlicher Weise anerkannt.)

9.        Frauen werden nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung behandelt, d.h. dass Mädchen zur Schule gehen, einen Beruf erlernen und ihn auch zu den in Deutschland üblichen Arbeitsbedingungen ausüben können. Mädchen können nicht gegen ihren Willen nach traditionellem Ritus an oft unbekannte Männer verheiratet werden.

10.    In der Schule wird allen muslimischen Kindern gestattet, normal und koedukativ am Schulleben teilzunehmen. Das betrifft insbesondere die Teilnahme an Ausflügen, Schwimmen, Turnen und dem Sexualkundeunterricht.

Schaffen wir mit so einer Liste jetzt Klarheit, sie führt zur Wahrheit. The first cut is the deepest! Fragen wir die Muslime, ob und wo diese Liste - als Gift-Liste verstanden - ihre Würde verletzt oder ob ein solcher Verfassungs-TÜV nicht doch eine gute Basis für Integration sei. Wir erwarten, dass sie sich offen dazu äußern. Nur mit klaren Positionen kann der Fremde ein Freund werden oder sich gegen eine Einwanderung entscheiden. Windelweiche Toleranz neigt dazu in Intoleranz umzukippen. Klare Positionen sind dabei nicht mit Vorurteilen zu verwechseln. Politische Vorurteile entstehen aus einer tiefsitzenden Angst vor dem Fremden, dem man sich selbst gegenüber schwach oder benachteiligt sieht und auf das alle eigenen Fehler und Schwächen projiziert werden (das Sündenbock-Phänomen). Diese Ängste sind der Bearbeitung und Argumentation nicht zugänglich. Reale politische Ängste dagegen sind auch andern nachvollziehbar. Sie sind der Bearbeitung zugänglich und ermöglichen politisch reflektiertes Urteilen. Wir müssen solche Realangst äußern dürfen, ohne von xenophilen Anwälten der " political correctness " mit dem Klebemärkchen "fremdenfeindlich" oder Schlimmerem mundtot gemacht zu werden. Es ist z.B. nicht „irrsinnig“, wenn sich ein Afrikaner in Hoyerswerda oder ein Deutscher inmitten einer PKK-Demonstration bedroht fühlt. Xenophilie und Xenophobie berühren sich erstaunlicherweise in einem Punkt: sie blenden beide bestimmte Teile der Realität aus, der Xenophobe die positiven Seiten, der Xenophile die negativen Teile des Fremden.

Jeder Moslem, Kind einer einst großen Kultur, der sich für unsere Demokratie entscheidet, macht sich heute los vom Mittelalter. Das mag wiederum Ängste verursachen, denn er bewegt sich geistig weg von seinen Leuten, traditionellen Arabern beispielsweise, denen in der Darstellung von Sándor Márai („Die Glut“) „der Akt des Tötens noch ganz nahe ist. Für sie ist Blut ein vertrauter Stoff, und auch das Blitzen des Messers ist etwas Natürliches, wie das Lächeln einer Frau, wie der Regen.“ So natürlich geschah auch das blutige Menschenopfer auf dem Altar der Twin Towers. Entziehen wir dem irren Fanatismus in unserm Land den Nährboden. Soweit das überhaupt noch möglich ist, weil wir zu lange „tolerant“ geschlafen haben. Dann müssen wir nicht mehr gegen die Angst ankämpfen, dass die freundlich angebotene Tasse Tee des schwarzbärtigen Nachbarn vielleicht unsere Henkersmahlzeit ist.


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Deutsch-Jüdischer Dialog:


Es ist Zeit, die Deutschen aus dem Schuldturm zu entlassen


Der folgende Brief wurde von der israelischen Botschaft weitergeleitet an den Präsidenten des Staates Israel. Eine Antwort steht (noch) aus. Auch Frau Knobloch (Zentralrat der Juden) erhielt den Brief und die Antwort steht ebenfalls noch aus.


Offener Brief an Präsident Moshe Katsav, Israel zum 8. Mai 20

von Raimund Pousset


 Heidelberg, 8.5.2006


Sehr verehrter Herr Präsident!


Heute vor 61 Jahren war der zweite Weltkrieg mit dem Endsieg und der Befreiung endlich zu Ende. Heute vor gut einem Jahr haben Sie, Herr Katsav, Berlin besucht und als Vertreter des jüdischen Volkes im Reichstag eine wichtige Rede gehalten. Heute vor 60 Jahren, 1946 im ersten Nachkriegsjahr, wurden Menschen persönlich schuldlos ins deutsche Volk hinein geboren. Die ersten  Kinder der Tätergeneration hatten 1966 Kinder und diese 1986 wiederum welche „im dritten Glied“. Heute am 8. Mai 2006 werden die ersten Urenkel der Täter „im vierten Glied“ geboren. Persönlich unschuldig und nicht besser oder schlechter als die Urenkel der Opfergeneration. Das Schuldeingeständnis unserer großen christlichen Kirchen und die Geschichte berühren die Nachgeborenen nicht mehr aus dem Blickwinkel der persönlichen Schuld, sondern nur als Anlass für Empathie, Trauer, Verantwortung und Respekt. Nicht alle „Volksgenossen“ lassen sich leider allerdings berühren, doch diese Unberührbaren müssen wir ertragen, wenn auch demokratisch bekämpfen.

Noch immer leben Menschen, meist Juden, die dem Tod in den Vernichtungslagern der Nazis entgangen sind. Sie entgingen in einer unvergleichlichen Götterdämmerung von Zivilisation, Wissenschaft und Kultur halbtot dem Tod, den ihnen die deutschen Ururgroßväter, diese Gott hassenden Missetäter, in medizinischen Versuchsreihen und auf Todesmärschen zugedacht hatten. Noch immer haben die überlebenden Opfer grauenhafte Alpträume, einige hat der Versuch nach Deutschland zurückzukehren (wie Nelly Sachs) in die Psychiatrie getrieben. Für Verzeihen lässt das Grauen da keinen Raum. Oft leiden auch noch die Kinder und Kindeskinder der Opfer unter den Folgen der Shoa und sei es unter dem Schweigen der Väter wie etwa bei Gila Lustiger, genau wie die Kinder der Täter unter deren Schweigen leiden können (wie etwa Ute Scheub) - und müssen darüber Bücher schreiben.

Wir, d.h. alle, die mit empfinden, wollen uns an all das, was Juden und anderen Minderheiten angetan wurde, erinnern und die Spätfolgen wahrnehmen, auch gegen die Arroganz und die Attacken dumpfer Neo-Nazis, Hamas-Hetzer und irrender Islamisten. Diejenigen, die jüdische Leiden leugnen oder karikieren, wollen Juden zum zweiten Mal demütigen. Heute glänzt gegen das Vergessen, Verdrängen, Verfälschen und Verleugnen am Brandenburger Tor ein wogendes Feld von schwarzen Brandungsbrechern. Und das ist gut so. Eine Zementierung der Schandtat, umstrittener Ort der Schande, des Erinnerns und des Gedenkens.

Viele von den jüdischen Opfern haben dem deutschen Volk individuell, in Interviews, Reden oder als Schriftsteller vergeben. Manche Juden - auch der Nachgeneration - leben mit und versöhnt mitten unter uns. Die jüngst hoch betagt und hoch verehrt in Heidelberg verstorbene Hilde Domin hat ihren Fuß in Deutschland wieder in die Luft gesetzt – und sie trug! Einige haben sogar Kinder mit Deutschen. Dafür sind wir dankbar, freuen uns, wir, die wir persönlich und auch kollektiv nicht schuldig wurden, aber trotzdem die Last der historisch-moralischen Verantwortung tragen und tragen wollen. Die späte Geburt ist uns selbstverständlicher Auftrag, nicht Gnade.

Wir haben oft gegen den stummen Widerstand der Väter-Täter das Grässliche - mit Rückgrat - vor der Verdrängung bewahrt, haben zu Terror und Leid nicht geschwiegen und wo es denn ging, mit gelitten. Wir haben die Verzögerung der Kriegsverbrecherprozesse verurteilt und gegen die stille Kumpanei vieler Väter demonstriert. Wir dachten un-preußisch pazifistisch, ein Freund war Jude, wir reisten als Zivis oder zum Orangenpflücken in den Kibbuz und es flossen finanzielle Wiedergutmachung (Schilumim) und Waren- und Waffenlieferungen von Israels größtem Handelpartner. Manchmal waren wir so verbohrt im Protest, dass wir den stillen Widerstand unserer Eltern zur Nazi-Zeit abschätzig mit Nichtbeachtung straften. Ein später Platz in Yad Vaschem war uns nicht gut genug. Wir wollten Heroen in Plötzensee und keine Stillen im Lande. Wir wollten stolz sein. Erst „Schindlers Liste“ hat das auch für viele andere korrigiert. Die Messlatte an uns war und ist noch nicht gelegt.

Wo immer wir als nachgeborene Deutsche auf dieser Welt gingen und gehen: wir wurden und werden immer wieder von der Geschichte heimgesucht. Manchmal eindimensional plump und anmaßend, ein anderes Mal subtil. So, wenn der Vorsitzende des polnischen Unabhängigen Ethikrates, Boguslaw Wolniewicz, im April 2006 den deutschen Papst attackiert, der dem fundamentalistisch-katholischen Sender „Radio Maryja“ seine antisemitischen Tiraden untersagen möchte. Wolniewicz meint in heiliger Einfalt uns alle: „Das Dritte Reich hat den Deutschen das moralische Rückgrat genommen, und das ist ihnen bis heute nicht gewachsen!“

Manchmal treffen dich persönlich auch die Schande und die Geschichte mitten ins Herz, so, wenn dir in Auschwitz weinende Polen begegnen, die Blumen an rostigen Kreuzen niederlegen. Auch wenn Dich auf dem Touristen-Fischerboot in der Adria ein Mann den ganzen Tag unverwandt anstarrt, um dir abends dann endlich zu erklären, er sei Tscheche, habe in Dachau gesessen und wolle sich erstmals wieder einem Deutschen nähern, wolle spüren, ob die neue Generation anders sei. Oder wenn Du mit einem New Yorker Juden, der als 11-Jähriger mit seiner kleinen Schwester an der Hand zu Fuß und allein von Berlin nach Holland floh, im Herbst durch Schöneberg an seiner ehemaligen Schule vorbei spazieren gehst, er plötzlich stehen bleibt und leise sinnt: „So hat das Laub auf meinem Schulweg immer unter meinen Füßen geraschelt!“ Dann kann dich das schon durchschütteln.

Als wir schwer aufgeladene Substantive wie Führer, Flamme oder Jude wieder unbefangen aussprechen konnten, statt mit seltsamen Verdrehungen wie Israelit, Hebräer oder jüdischer Mitbürger die Sprachlosigkeit zu übertünchen, kam so etwas wie Normalität in unser Denken und Fühlen. Wo Schuldgefühl herrschte, konnte Mitgefühl wachsen. Trotzdem tragen unsere KfZ-Kennzeichen keine Seriennummern wie KZ, SS oder SA. Aber nicht, weil wir uns nicht erinnern wollen, sondern weil wir den möglichen Missbrauch verhindern wollen. So wurde viel Entscheidendes wieder normal, wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Kooperation, Jugendaustausch und Tourismus, wenn auch nicht „Alles auf Zucker“ ist. Wer auf Goethe stolz sein will, darf Goebbels nicht negieren. Schande und Stolz sitzen auf einem Holz. Der katholische Publizist und Herausgeber des „Rheinischen Merkur“ Joseph Görres (1776 – 1848) sagt dazu: „Das Volk, welches seine Vergangenheit von sich wirft, entblößt seine feinsten Lebensnerven allen Stürmen der wetterwendischen Zukunft.“ Heinrich Heine ist 2006 endlich in Deutschland angekommen. Er wurde „liebevoll aufgenommen“, sagt jedenfalls Marcel Reich-Ranicki.

Die Schandtat Auschwitz kann niemals normal werden, Auschwitz bleibt monströs, aber der Umgang mit der Schande kann auch für Deutsche normal sein. Wir werden es auch als normal erleben, dass Deutsche aus politischen Gründen Partei für die Sache der Palästinenser ergreifen. Wir müssen allerdings Antisemitismus, der das Existenzrecht Israels in Frage stellt,  nicht als normal akzeptieren, weil er Rassismus ist. Und der stellt den göttlichen Funken und das Humanum in jedem von uns in Frage.

Das stete Gedenken an die größte Katastrophe der menschlichen Geschichte darf und kann nicht von Versöhnung weichgespült werden. Nur wer sich ehrlich erinnert, darf nach vorne schauen, dass es nie wieder werde. In dem, was wir Erinnerungskultur nennen, haben Juden und Deutsche, auch deutsche Juden, noch immer nicht die gemeinsame Sprache gefunden. Die Diskussion taumelt oft genug zwischen der Antisemitismus- und der Auschwitz-Keule hin und her.

In der Sprache der Bibel, die Christen und Juden so verbindet, heißt es zu unserer Heimsuchung im Dekalog: „Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der  Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die  mich hassen!“ Nun sind wir im vierten Glied angekommen und haben dass Versprechen auf Wohltat bis ins tausendste Glied nicht. Doch was kommt nach dem vierten Glied? Können da vielleicht die Wohltat der Vergebung der Nazi-Verbrechen und die Versöhnung kommen?

Der kürzlich verstorbene Johannes Rau hat am 16.1.2000 als Bundespräsident bei seinem Staatsbesuch in Israel in der Knesset die Juden in der Sprache der Mörder offiziell um Vergebung gebeten. Sie, Herr Katsav, mochten als  israelische Präsident die deutsche Bitte um Vergebung bei Ihrem Gegenbesuch im Berliner Reichstag am 31.5.2005 offiziell nicht erhören und sagten: „Das Trauma der Shoa wird das jüdische Volk bis in alle Ewigkeit begleiten. Für die Shoa kann es weder Vergeben noch Verzeihen geben.“ Nach Ihrer feierlichen Aussage, die Sie auch im Namen aller zukünftigen jüdischen Generationen gemacht haben, wäre jede deutsche Bitte um Vergebung und Hoffnung auf Versöhnung sinnlos. Jom Kippur, das höchste jüdische Fest und nach dem Talmud (Joma VIII, 9) das Versöhnungsfest auch mit dem Nächsten, nachdem dieser die geschädigte Person um Verzeihung gebeten hat, bliebe für Deutsche auch im tausendsten Glied nur eine Fata Morgana. Wir würden ewig im Schuld(gefühl)turm gefangen bleiben! Diesem Gedanken versperren sich bei vielen Herz und Hirn, Herr Präsident.

Auch der hie und da zu lesende Hinweis, hier handele es sich um einen Übersetzungsfehler, hilft solange nicht weiter, als dass Sie selbst dazu Stellung nehmen. Selbst wenn denn die Juden selbst gemeint sein sollten, für die es in ihrer Erinnerung kein Vergeben und Verzeihen für ihr erlittenes Leid und das eigene Überleben geben könne – eine arg strapazierte Interpretation gegen den Kontext der Rede -, bliebe doch die Frage offen, wann und wie sich der Präsident des israelischen Staates den Akt der Aussöhnung mit dem deutschen Volk in Zukunft vorstellt. Oder sei dies auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben, bis „uns“ das Rückgrat nachgewachsen ist?

Warum kann es jetzt keine offizielle Versöhnung geben? Auch die Frage nach dem Qui bono, wem das denn nützt, stellt sich?! Diese Frage offen stellen und darauf auch eine Antwort suchen zu können, verweist auf das stabile Normal-Verhältnis zwischen Deutschland und Israel, das nicht immer im Walser-Tanz enden muss. Noch in den letzten Tagen der Bonner Republik hätte meine Fragestellung wohl keine seriöse Zeitung gedruckt. Wenn wir diese Frage aber dem rechten Rand überlassen, werden die Antworten auch so sein, wie sie sind: springerstiefel- und stammtischgerechter Antisemitismus für verunsicherte Stimm(ung)en.

Wenn Ihnen und Israel offiziell kein Verzeihen für die persönlich schuldigen Täter und Mitläufer in der Nazizeit – zwölf Jahren deutscher Geschichte! - möglich ist, warum dann nicht für die Nachgeborenen nunmehr im vierten Glied, die heute nach 61 Jahren wesentlich das deutsche Volk mit seiner tausendjährigen Geschichte repräsentieren? Zum deutschen Volk zählen auch Millionen zugewanderter Deutsche aus aller Herren Länder, häufig muslimischen Glaubens, aber auch Kinder und Kindeskinder von ebenfalls ermordeten und gepeinigten Widerstandskämpfern. Und es kamen viele Juden aus dem Osten dazu, die sicher darauf vertrauen (können), dass in ihren weinroten Pass nie wieder ein „J“ gestempelt werden wird. Fehlt denen pauschal allen das Rückgrat?

Soll die Einmaligkeit der Tat, die Größe des Traumas und die Schwere der Schuld wirklich zum Maßstab für die Vergebung gemacht werden? Oder wären nicht doch das umfassende Schuldanerkenntnis, die Wiedergutmachung und die demokratische Wandlung, also deutsche Reue und Sühne anzuerkennen, der bessere Weg vor Gott und den Menschen?

  • Wenn diesem deutschen Volk als ganzem bis in alle Ewigkeit – quasi als kategorischer Imperativ - offiziell nicht vergeben werden darf, muss wohl eine blutsmäßige Erb-Schuld vorliegen: Deutsche als genuine Antisemiten, potenzielle Massenmörder und willige Vollstrecker, denen ewig nicht zu trauen ist.  
  • Wenn man nicht vergeben will, müsste ein zweckrationaler Grund vorliegen, z.B. die Absicht der Instrumentalisierung der Schande oder die Einschätzung, Reue und Sühne der Deutschen seien nicht hoch genug gewesen.
  • Wenn man nicht vergeben kann, müsste das in der Psyche der Überlebenden liegen. Wobei nachvollziehbar ist, wenn ein Individuum den Schritt zur Versöhnung nicht zu tun vermag, weil das Leid zu nah und der Schmerz noch zu groß ist.
  • Wenn man nicht verzeihen soll, dann müsste das in der Religion und/oder der Ideologie begründet liegen. Aber welcher rächende Gott oder welcher gnadenlose Philosoph verlangt von Völkern eine Existenz in der Unversöhnlichkeit auf ewig?


Vielleicht kommt bei Ihnen und vielen Meinungsführern Israels auch alles zusammen: man darf, will, kann  und soll diesen großen Schritt „in die Luft“ niemals tun. Wenn es so denn so wäre und kein Prinzip Hoffnung Kraft walten ließe, dann wäre es sicher gut, wenn das ewige Nein ausführlich begründet würde. Dann müssten wir Deutsche uns damit und darauf einrichten, auch wenn nur wenige dafür auf Dauer Verständnis aufbringen dürften. Der Freundschaft mit Israel wird diese trostlose Perspektive besonders in schwieriger Zeit, wo rassistische und hasserfüllter Kinder A-Bomben zu basteln beginnen, vermutlich auch nichts nützen.

Es gibt viele Beispiele für Versöhnung zwischen den Völkern, oft im kirchlichen Bereich. So war der erstmalige Besuch des russischen Patriarchen Alexius II. von Moskau im November 1995 in Berlin gekennzeichnet von dem festen Willen zur Versöhnung mit dem deutschen Volk. Welche gewaltige Kraft Versöhnung hat, können wir auch in Südafrika, im Lande Nelson Mandelas, erleben. Man kann es sogar hören, das große Herz Afrikas: Die Schwarzen sprechen, wenn sie ihre dreistrophige Nationalhymne „Nkosi sikelel´i Afrika“ (Gott schütze Afrika) singen, im zweiten Teil fast selbstverständlich und symbolhaft die Sprache ihrer burischen Unterdrücker und Mörder. Dazu hat es der Wahrheits- und Versöhnungskommissionen bedurft und eines gesellschaftlichen Prozesses, der noch nicht am Ende ist. Eine Sängerin des berühmten Imilonji-Chors, die 1976 einen Sohn unter den über 600 toten Soweto-Schülern zu beklagen hatte, sagt 2005 bei einem Workshop mit deutschen Sängern: „Ich habe den Weißen vergeben - aber nichts vergessen! Wie könnte ich nicht vergeben, wenn Gott, der Herr, uns Menschen vergeben habt, die seinen Sohn getötet haben?“

Heute, 61 Jahre nach Kriegsende, nicht letztes Jahr zum runden Gedenktag, lässt sich ein Wunsch formulieren: Wir – so meine ich - brauchten im Aussöhnungsprozess mit den Juden das kollektive Erhören von Raus Bitte mit starken Symbolen. Im Namen des vierten und fünften Gliedes wünschen mindestens sehr viele Deutsche die Erhörung der deutschen Bitte um Vergebung, damit tätige Versöhnung sei: offiziell durch die israelische Knesset und in Abstimmung mit dem jüdischen Weltkongress. Auch wäre damit endlich jedem Vorwurf und Anschein der Instrumentalisierung von Auschwitz oder einer von Schuldgefühl erpressten Freundschaft der Nährboden entzogen.

Vielleicht wäre eine Versöhnungswoche ein starkes Symbol und ein würdiger Akt, beginnend an einem Sonntag in Berlin, über zentrale Plätze der Shoa laufend und mit dem Höhepunkt an einem Sabbat (Jom Kippur) in Jerusalem. Auch ein vom Zentralrat der Juden initiierter Akt, z.B. ein Versöhnungsmarsch durch Deutschland, wäre viel, sehr viel, vielleicht der erste Schritt vor dem zweiten. Welcher Hohepriester treibt an Jom Kippur den Sündenbock zu Asasel in die Wüste (Levitikus 16:8-10), was nach alter jüdischer Überlieferung doch die "gänzliche Entfernung der Schuld“ bedeutet? Wäre es nicht auch bedeutungsschwer, wenn der Akt der Versöhnung noch mit den letzten lebenden Opfern stattfinden könnte?

Der 1912 (als Alfred Gutsmuth) in Gießen geborene und dort promovierte Israeli Dr. Abraham Bar Menachem, Ex-Oberbürgermeister von Netanya, sagt als 93-Jähriger bewegend schlicht und deutlich anders als Sie, Herr Präsident: „Für mich besteht kein Widerspruch zwischen stetem Gedenken an die Vernichtung von sechs Millionen Juden durch Deutsche und der Versöhnung mit dem deutschen Volk“. Er hat Recht, der weise alte Mann; hoffen wir auf ihn und seinesgleichen. Hoffen wir auch auf die Nachgeborenen, die uns nicht mit der Antisemitismus-Keule sofort Schlussstrichmentalität oder geistiges Brandstiftertum unterstellen.

Sie, Herr Präsident, als höchster Repräsentant Israel und aller Juden dieser Welt – besonders der deutschen - sollten trotz Ihrer Absage Raus Bitte erhören und uns zu einem geschichtsmächtigen Termin und in absehbarer Zeit eine zweite Chance geben. Darum bitte ich. Ich meine, die Zeit ist reif das deutsche Volk mit Rückgrat aus dem Schuldturm zu entlassen und ein neues, besseres Kapitel aufzuschlagen.




 





 











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